Herr Monz, wie würden Sie das zurückliegende Jahr kurz zusammenfassen?

Dr. Ludwin Monz: Jedes Jahr hat seine Herausforderungen, das zurückliegende Jahr war jedoch besonders. Wir mussten mit einer Vielzahl unterschiedlicher Beeinträchtigungen umgehen, die Sie wohl aus den Medien kennen: Hinter uns liegt ein Geschäftsjahr, das dominiert war von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Die dadurch hervorgerufene Inflation führte zu einer raschen Neuausrichtung der Geldpolitik, das Zinsniveau stieg in einem nie dagewesenen Tempo an und bremste die wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig machte uns eine schwache Nachfrage aus China zu schaffen, die durch dortige Lockdowns zustande kam. Diese führten darüber hinaus zu empfindlichen Unterbrechungen in den globalen Lieferketten. Dass wir das Jahr dennoch erfolgreich abgeschlossen haben, ist auch dem enormen Engagement unserer Belegschaft zu verdanken. Insbesondere das Geschäft mit unseren Verpackungslösungen entwickelte sich trotz aller Turbulenzen positiv.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass Wandel zu einem stetigen Element des Wirtschaftens wird. Die Zyklen für Veränderung werden immer kürzer. Wandel geht nicht vorbei, sondern wird Teil unseres notwendigen täglichen Geschäfts. Dafür müssen wir uns auf eine finanziell starke Basis stellen und strategisch vorausschauend handeln.

Stichwort finanziell starke Basis: Frau von der Goltz, Sie sind als Finanzvorständin im Januar zu HEIDELBERG gekommen. Wie erleben Sie seither das Unternehmen?

Tania von der Goltz: HEIDELBERG blickt auf eine große Tradition zurück. Auf dieser Tradition gilt es zu bauen und sie weiterzuentwickeln. Denn ohne Weiterentwicklung bleibt der Erfolg aus. Unsere gemeinsame Zukunft ist, Tradition und Neues klug miteinander zu verbinden. Dafür bietet die Passion, die ich bei vielen Mitarbeitenden in den letzten Monaten gespürt habe, eine sehr gute Grundlage. In mehr als 170 Jahren hat das Unternehmen schon einigen Wandel gemeistert, und das Unternehmen konnte dabei immer auf die Mitarbeitenden bauen.

Blicken wir auf das kommende Geschäftsjahr, was sind die wichtigsten Punkte, die Sie beide angehen wollen? Was bedeutet es im Detail, eine finanziell starke Basis zu haben und strategisch zu handeln?

Ludwin Monz: Einfach gesagt: Wir müssen nachhaltig mehr Geld erwirtschaften als wir ausgeben. Gleichzeitig gilt es nach Jahren der Kontraktion das Fundament für die Zukunft von HEIDELBERG zu schaffen. Dazu haben wir die passende Geschäftsstrategie definiert, die über unser heutiges Kerngeschäft im Bereich Bogenoffset hinaus reicht. Der Druckmarkt umfasst schließlich weit mehr als den Bogenoffset, das müssen wir in unserer Strategie abbilden. Gleichzeitig wollen wir auch über den Druckmarkt hinaus Perspektiven schaffen. Deshalb setzen wir auf zwei Stoßrichtungen für die Ausrichtung von HEIDELBERG. Erstens, die Stärkung des Kerngeschäfts Druck – unser Wachstumsfokus liegt dabei kurzfristig auf dem Verpackungsmarkt. Zweitens auf die Verbreiterung des Geschäftsportfolios durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder.

Tania von der Goltz: Und Wachstum braucht Investitionen. Das Geschäftsjahr haben wir in einem herausfordernden Umfeld gut abgeschlossen. Den Umsatz und das operative Ergebnis haben wir gesteigert. HEIDELBERG bewegt sich dennoch auf einem niedrigen Profitabilitätsniveau. Daher müssen wir unsere Kostenstrukturen hinterfragen und uns damit Freiraum für Investitionen schaffen. Wachstum ist eine zentrale Voraussetzung, um den Wert unserer Firma zu steigern. Insbesondere legen wir unser Augenmerk auf den Cashflow. Dieser hat sich in den letzten Jahren optisch positiv entwickelt – jedoch getragen von Einmaleffekten, wie beispielsweise der Teilveräußerung des Werksgeländes in Wiesloch. Diese wird es in Zukunft nicht mehr geben. Deshalb haben wir ein Programm mit dem Ziel gestartet, den operativen Cashflow deutlich ins Positive zu lenken und so Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen.

"Auf Tradition aufbauen und Neues entwickeln ist unser Weg."

Tania von der Goltz, CFO

Tania von der Goltz ist seit Anfang des Jahres 2023 CFO bei HEIDELBERG und seit diesem Zeitpunkt auch Mitglied des Vorstands. Zuletzt war Tania von der Goltz beim DAX-Konzern Fresenius Medical Care als Senior Vice President Global Financial Strategy für die globale Finanzstrategie des Unternehmens verantwortlich.

Und wo möchten Sie Kapital investieren?

Ludwin Monz: Es ist wichtig, dass wir aus unserer vorhandenen Stärke im Bogenoffsetdruck heraus agieren, aber zusätzlich sichtbar Neues wagen. Mehr als 33 Prozent des weltweiten Druckvolumens entfallen heute auf den Verpackungsmarkt – und die Tendenz ist steigend. Eine wachsende Weltbevölkerung benötigt mehr verpackte Güter, gleichzeitig gibt es einen Trend weg vom Plastik hin zu nachhaltiger Verpackung. Diese Entwicklungen müssen wir nutzen. Erst kürzlich haben wir auf der Branchenmesse Interpack unsere neue Boardmaster-Maschine vorgestellt, die Faltschachtelproduzenten einen wesentlichen Schritt in Sachen Produktivität ermöglicht. Mit der Lösung können bis zu 600 Meter Faltschachtelkarton pro Minute bedruckt und verarbeitet werden. Diese Maschine wird schon bei den ersten Kunden installiert.

Gleichwohl gewinnt der Digitaldruck in einigen Marktsegmenten an Bedeutung. In der Vergangenheit gab es ambitionierte Versuche am Markt, die scheiterten. Wie steht HEIDELBERG Ihrer Ansicht nach beim Thema da?

Ludwin Monz: Nach einem Jahr kann ich sagen, wir haben bei dem Thema Potenzial. Mit der Gallus Labelfire und der Gallus One haben wir schon einzelne Produkte im Markt – nun gilt es diese Kompetenz strategisch zu erweitern. Auch für uns ist das eine lukrative Rechnung, denn wir verdienen hier nicht nur an der Maschine, sondern insbesondere auch an den Verbrauchsmaterialien. Potenzial sehe ich insbesondere bei der Gallus One, die wir Mitte 2022 vorgestellt haben. Diese erste volldigitale Etikettendruckmaschine unseres Unternehmens arbeitet hochautomatisiert mit UV-Inkjet-Drucktechnologie und ist gleichzeitig in die Software-Lösungen von HEIDELBERG integriert. Durch diese Kombination können wir ein Produkt anbieten, das den Kunden wirtschaftlich besser stellt: Das System reduziert die Kosten des Betriebes über die Lebenszeit der Maschine und macht den digitalen Etikettendruck in der Fläche attraktiv.

Ludwin Monz. CEO, HEIDELBERG
Ludwin Monz. CEO, HEIDELBERG

"Nachhaltigkeit verändert unser Geschäft und eröffnet neue Perspektiven."

Dr. Ludwin Monz, CEO

Seit April 2022 ist Dr. Ludwin Monz Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG. Dr. Ludwin Monz gilt als anerkannte Führungspersönlichkeit der deutschen Industrie mit Kapitalmarkterfahrung. Zuletzt leitete er mehr als zehn Jahre lang die Carl Zeiss Meditec AG.

HEIDELBERG hatte bereits angekündigt, bis 2030 klima­neutral wirtschaften zu wollen. Wie kommen Sie bei diesem Ziel voran?

Dr. Ludwin Monz: Es muss unser Anspruch sein, die Klimaneutralität zu erreichen. Der Weg dahin bleibt einer der vielen kleinen Schritte, die wir kontinuierlich gehen. Gleichzeitig gilt es, auch die Effizienz unserer Produkte weiter zu verbessern. Darüber hinaus verändert Nachhaltigkeit auch unser Geschäft und eröffnet neue Perspektiven – wie bereits eingangs bei der Strategie erwähnt, wollen wir ja auch neue Geschäftsfelder erschließen. Immerhin sprechen wir hier von einem weltweiten Megatrend der jetzigen und kommenden Dekade. Ein erstes Beispiel dafür ist die Elektromobilität, von der wir mit unserem Geschäft mit Ladetechnologie profitieren.

Tania von der Goltz: Nachhaltigkeit ist im Kern unseres Wirtschaftens angekommen und wird zu einem wichtigen Faktor für uns. Nehmen Sie das Beispiel der steigenden Energiekosten: Hier ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Teil der Lösung. Beispielsweise betreiben wir in Amstetten unsere Gießerei. Das Eisen wird dabei ausschließlich elektrisch geschmolzen, weshalb wir in eine Photovoltaikanlage mit einer Peak-Leistung von 3,6 Megawatt investieren. Dies entspricht einem jährlichen Energiebedarf von rund 1.200 Haushalten und spart eine CO2-Menge von 1.000 Tonnen pro Jahr ein. Für mich ist das ein ganz konkretes Beispiel, wie wir unseren Nachhaltigkeitsanspruch in das laufende Geschäft integrieren und auf vielen Ebenen Mehrwert schaffen.

Eine letzte Frage an Sie beide, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels: Würden Sie als junger Mensch bei HEIDELBERG anfangen? Und wieso?

Tania von der Goltz: Ja, denn wir sind ein Unternehmen im Wandel. Und das ist immer eine gute Zeit, um einzusteigen. Wer jetzt neu zu HEIDELBERG kommt, hat die Chance und auch die Pflicht, zu gestalten. Das gilt genauso für alle, die seit Langem an Bord sind. Wie ich eingangs sagte: Auf Tradition aufbauen und Neues entwickeln ist unser Weg. Hier treffen Neueinsteiger auf oft mehrere Dekaden an Berufserfahrung. Viele unserer langjährigen Mitarbeitenden leben hier Überzeugung und Einsatzbereitschaft vor.

Dr. Ludwin Monz: Auch in der Produktion profitieren wir von dem Mix aus Erfahrung und neuen Impulsen von außen. Ausbildungsberufe im Bereich der Drucktechnologie halte ich für enorm zukunftsfähig. Denn unsere jungen Auszubildenden lernen oft in einer Kombination aus Mechanik, Elektronik und Softwareprogrammierung. Auch hier sehen Sie den Mix aus Tradition und Neuem.

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